K. K.


Unter welchen Bedingungen kann
die Sozialdemokratie zum Ziele gelangen?

(1880)


Aus Jahrbuch für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik, I. Jg, 2. Hälfte, Zürich 1880, S. 207–208.
Transkription: Archive.org.
HTML-Markierung: Einde O’Callaghan für das Marxists’ Internet Archive.


Bruno Geiser
Unter welchen Bedingungen kann die Sozialdemokratie zum Ziele gelangen?
Leipzig 1880

Titel und Inhalt müssen in diesem merkwürdigen Büchlein wohl geschieden werden. Der Zweck des Titels ist jedenfalls ein humoristischer, und zwar der, die hungrigen Wölfe des Ausnahmegesetzes wüthend über die Broschüre herfallen zu machen, damit sie beschämt und enttäuscht sich zurückziehen, sobald sie vom Inhalte Kenntniss genommen. Denn dieser Inhalt ist, obgleich der sozialistische Standpunkt überall gewahrt und betont wird, dennoch nicht im geringsten aufreizend oder staatsgefährlich. Genosse Geiser ging jedenfalls von dem richtigen Gedanken aus, dass das Zitiren und Erklären deutscher Klassiker denn doch nicht gut selbst einem Sozialdemokraten verboten werden könnte. Auch abgesehen davon ist es jedenfalls eine neue und sehr fruchtbare Idee, die sozialpolitischen Anschauungen Lessings, Schillers und Herders darzulegen und zu untersuchen, ob und inwieweit dieselben den sozialdemokratischen Prinzipien entsprechen. Zu bedauern ist bloss, dass der Verfasser sich auf einen so engen Raum beschränkte, der es ihm geradezu unmöglich machte, die Angabe, die er sich gestellt, zu bewältigen. Es ist doch ein gewagtes Unternehmen, aus einigen wenigen Stellen die politischen und sozialen Anschauungen eines Denkers deduziren zu wollen, besonders bei dem an Widersprüchen so reichen Schiller. Es ist allerdings nicht zu bezweifeln, dass der bereits durch mehrere literarhistorische Arbeiten bekannte Verfasser sich nicht bloss auf diese Stellen gestützt, sondern die Klassiker in ihrer Totalität erfasst hat, aber das moderne skeptische Geschlecht begnügt sich nun einmal nicht mit den blossen Ergebnissen der Forschungen, es will auch die Motive und den Weg wissen, die zu denselben führten. Diesen Forderungen könnte jedoch nur in einem grösseren Werke Genüge gethan werden. Die vorliegende Brochüre können wir daher bloss als Fingerzeig betrachten, der uns aufmerksam macht darauf, wie lohnend und wichtig es ist, unsere Klassiker einmal auch von der sozialpolitischen, anstatt blos von der ästhetischen und philosophischen Seite zu betrachten. Wir hoffen aber, dass Genosse Geiser sich mit dem Verdienst, uns diesen Fingerzeig gegeben zu haben, nicht begnügt, sondern das zweite hinzufügt, selbst der Erste gewesen zu sein, der demselben Folge leistend eine eingehendere Arbeit auf diesem Gebiete gebracht hat.


Zuletzt aktualisiert am 19. September 2016